Gibt es die nachhaltige Verpackung?

Sonja Bähr – Senior Packaging Consultant – TILISCO GmbH, Verpackungsmanagement | Made for Recycling | Ökodesign | Optimierung

Gastbeitrag: Sonja Bähr

Sie gibt es nicht. Sie gibt es doch. Kommt ganz drauf an! Schon klar, dass das nicht die Antwort ist, die man gerne erhält, wenn man den Begriff ‚nachhaltige Verpackung‘ in die Suchmaschine des Vertrauens eingibt. Aber immerhin kann man dann aus etwa 9,67 Millionen Ergebnissen wählen. Irgendeine passende nachhaltige Verpackung wird doch wohl dabei sein, wenn es darum geht, Lebensmittel gut zu verpacken.

Try and error ist ein Weg, der andere beginnt damit, ein paar Fragen zu beantworten. Denn Verpackungen sind komplex. Bei der Auswahl müssen mindestens die folgenden Punkte betrachtet werden: das Material, das Produkt, der Abpackprozess, die Logistik, die Marke, der Verbraucher, der Handel, die Umwelt, die Entsorgung, …

Die Suche nach der richtigen Verpackung, die auch noch nachhaltig sein soll, ist an verschiedene Bedingungen geknüpft.

Zunächst einmal gilt es zu definieren, was Nachhaltigkeit eigentlich ist? Eine offizielle Definition gibt es nicht und jeder versteht darunter ein bisschen etwas anderes. Das große Internetlexikon sagt dazu folgendes: „Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip zur Ressourcen-Nutzung, bei dem eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung durch die Bewahrung der natürlichen Regenerationsfähigkeit der beteiligten Systeme gewährleistet werden soll.“ Mit anderen Worten: „Nimm nicht mehr als Du selbst verbrauchst und sorge dafür, dass in angemessener Zeit und zu angemessenen Bedingungen für Nachschub gesorgt ist.“ Das machen wir aber schon lange nicht mehr. Der Erdüberlastungstag, also der Zeitpunkt, wo mehr Ressourcen verbraucht werden, als eigentlich zur Verfügung stehen, rückt jedes Jahr weiter nach vorne. Wir leben auf Pump, weitestgehend mit einer Ex und Hopp Mentalität und achten bei unserem Verbrauch zu wenig darauf, ob und wie die Ressourcen wieder genutzt werden können.

Das bedeutet, bezogen auf die Lebensmittelverpackung, muss man aus fachlicher bzw. beruflicher Sicht als Designer, Abfüller oder Hersteller, vor allem aber als Verbraucher zunächst einmal fragen: „Brauche ich das Produkt?“.

Wenn also der Verbrauch und Verzehr notwendig sind, kann man gleich die nächste Frage stellen, muss das Produkt denn überhaupt verpackt sein? Nach dem Biohandel und den Unverpacktläden, lässt jetzt auch der konventionelle Handel immer mehr Verpackungen weg. Weglassen ist nachhaltig oder kann zumindest nachhaltig sein, nämlich immer dann, wenn das Produkt nicht darunter leidet und verdirbt oder ungenießbar, bzw. unverkäuflich wird. Generell lässt sich feststellen, dass für die Produktion eines Lebensmittels, auch von weitgehend unverarbeiteten Produkten, mehr Ressourcen wie Wasser, Land und Energie verbraucht werden, als für die dazu gehörige Verpackung. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Das bedeutet, der Erhalt der Qualität des Produkts ist nachhaltig, weil es gekauft und verzehrt wird und nicht als Abfall in der Biogasanlage verbrannt wird. Damit ist die wichtigste Funktion der Verpackung, egal für welches Produkt, genannt: es ist die Schutzfunktion. Das ist die ureigenste Aufgabe einer Verpackung: Das Produkt vor äußeren Einflussfaktoren, wie Feuchtigkeit, Sauerstoff, Licht, Bakterien, Ungeziefer, Zerstörung usw. zu schützen. Aber auch die Umwelt muss unter Umständen vor dem Produkt geschützt werden, man denke nur an Geruch, Produktbestanteile wie Fett oder schädliche Substanzen.

Das Produkt bestimmt die Anforderungen an die Verpackung. Wie liegt das Produkt vor, ist es flüssig oder fest? Ist es ein frisches oder haltbares Produkt? Wie lang soll die Haltbarkeit sein? Ist das Produkt schwer oder leicht? Ist das Produkt feucht oder trocken? Wird eine Kühlkette benötigt? Gibt es Anforderungen für Barrieren, die das Produkt vor Wasserdampf, Sauerstoff oder Licht schützen müssen? Diese Reihe ist beliebig fortzuführen und irgendwann taucht dann wieder die Frage nach der Nachhaltigkeit auf.

Es gibt zwei Hauptrichtungen, der eine Verpackung folgen kann, um nachhaltiger zu werden: Die Maximierung der Recyclingfähigkeit oder die Reduktion des CO2-Fußabdrucks.

Teilweise widersprechen sich diese Ziele oder zahlen aufeinander ein. Und es handelt sich nicht um einen lokalen Trend oder eine deutsche Idee, vielmehr ist es die Beschäftigung mit den Abfällen im Meer und an Land, als global zu lösende Aufgabe.

Die Vereinten Nationen konnten sich auf 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung einigen (UN Sustainable Development Goals (SDG)). Allerdings geben die Ziele keine Definitionen oder messbare Werte vor. Maßnahmen für nachhaltigere Verpackungslösungen berühren mindestens vier der Ziele: ‚Zero hunger‘ – ‚Responsible consumption and production‘ – ‚Climate action‘ und ‚Life below water‘.

Deutlich konkreteren Vorgaben müssen sich die mehr als 450 globalen Markenunternehmen aus verschiedenen Branchen unterwerfen, die gemeinsam die Vereinbarungen der Ellen MacArthur Foundation unterschrieben haben.

Schon seit Oktober 2018 sind hierin klare Ziele vorgegeben: Problematische oder unnötige Kunststoffverpackungen sind zu vermeiden. Wiederverwendung soll vor Einweg bevorzugt werden. Es ist sicherzustellen, dass 100% der Kunststoffverpackungen bis 2025 einfach und sicher wiederverwendet, recycelt oder kompostiert werden können. Außerdem soll die Menge an Recycling- Kunststoff deutlich erhöht und verpflichtend zu mehr neuen Verpackungen oder Produkten verarbeitet werden.

Die Plastic Strategy der EU greift genau diese Ziele auf und konkretisiert sie noch. Ab Juli 2021 sind diese Vorgaben in den europäischen Ländern in nationales Recht zu überführen: Dann gilt das Verbot bestimmter Kunststoffprodukte, wie Einweggeschirr, Strohhalme, Ballonstangen und Getränkebecher. Ab 2025 soll das Sammelziel für das Recycling von PET-Getränkeflaschen 77% betragen, Deckel müssen dann dauerhaft an den Flaschen befestigt sein und PET Flaschen müssen einen Rezyklatanteil von 25 % aufweisen. Im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung sollen sich die Hersteller z.B. von Zigaretten, Fischernetzen und Plastikflaschen an den Reinigungskosten der Strände beteiligen. Bis 2030 sollen alle Kunststoffverpackungen in der EU recycelbar oder wiederverwendbar sein. Der Fokus liegt auf einer Definition des recyclingfreundlichen Designs.

Deutschland setzt einen Teil der Vorgaben der EU im deutschen Verpackungsgesetz (VerpackG) schon um. In §4 werden die Anforderungen an Verpackungen so beschrieben: Vermeiden, Vermindern, hochwertig werkstofflich recyceln, Einsatz von Rezyklaten fördern.

Diese Ziele fordern konkrete Umsetzungen bei Verpackungen:

Maximierung der Recyclingfähigkeit zum Beispiel durch den Einsatz von mehr Monomaterial, Verbunde recyclingfähig erstellen, auf trennbare Komponenten achten, transparente Kunststoffbehälter sind viel besser für das Recycling geeignet.

Reduktion des CO2-Fußabdrucks zum Beispiel durch den Einsatz von weniger Material und Ressourcen, Verwendung von Werkstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, die aber gleichzeitig im Kreislauf wiedereingesetzt werden können. Der Einsatz von Rezyklaten reduziert auch den CO2-Fußabdruck, genauso wie eine sehr gute Recyclingfähigkeit.

Viele große Markenartikelunternehmen sowie der Handel kündigen auch bereits entsprechende Ziele an. Aktuelle Forschungs- und Entwicklungsprojekte arbeiten an neuen Materialien, die immer besser recyclingfähig sind, sowie an Verpackungen, die aus nachwachsenden Rohstoffen produziert werden, idealerweise aus solchen, die sonst als Produktionsabfälle anfallen würden.

Die Suche nach der nachhaltigen Verpackung ist immer eine Einzelfallbetrachtung. Möglicherweise können nicht alle Anforderungen erfüllt werden, dann muss priorisiert werden und die nächstbeste Alternative kommt zum Einsatz.

Aber es gibt gute und nachhaltige Lösungen, echte Innovationen und hoffnungsvolle Konzepte. Alle, die sich mit Verpackungen befassen, sollten bitte auf jeden Fall weiterforschen, neugierig, kreativ und kritisch bleiben.