Wandel in den Töpfen und Köpfen

Noch bessere Qualität auf Berliner Tellern, dafür sorgt die Kantine Zukunft im Auftrag vom Land Berlin seit 2019. Aber nicht für Restaurants sondern da wo viele Menschen tagtäglich Essen, nämlich in der Gemeinschaftsgastronomie: KiTa, Mensa, Betriebskantine, Seniorenheim.

Kampagnenplakat an einer Berliner Bahnstation
Mit der Kampagne „Wir kochen für Berlin“ präsentieren sich die Kantine Zukunft
Akteuri*innen der Berliner Gemeinschaftsgastronomie, die Wirt*innen und Gastgeber*innen Berlins. (Fotocredit: Jörg Nicht)

Die Kantinen-Werkstatt der Kantine Zukunft arbeitet nur mit Einrichtungen zusammen, wo das Essen mit öffentlichen Geldern finanziert wird – entweder ganz oder zumindest zum Teil. Also Betriebskantinen, die in öffentlicher Hand liegen. Die Einrichtungen zahlen dementsprechend auch nichts für die Dienstleistung. Wichtig ist: Die Teilnahme passiert aber immer auf freiwilliger Basis, also die Kantinen haben keinen politischen Druck etwas anders zu machen, sondern machen das weil sie Teil der Transformation der Gemeinschaftsgastronomie sein möchten. Und das machen gar nicht so wenige: Knapp 4 Millionen Essen im Jahr produzieren die Küchen, mit denen die Kantine Zukunft aktuell zusammenarbeitet. Zusammenarbeiten heißt primär beraten und schulen, den die Kantine Zukunft stellt nicht die Küchenteams für die Einrichtungen sondern unterstützt die Küchenteams dabei, Prozesse zu verändern und neue Kompetenzen aufzubauen.
Dinah Hoffmann, studierte Gastronomiewissenschaftlerin und stellvertretende Projektleiterin, war gemeinsam mit der Social Designerin Anastasia Eggers, die unter anderem für das visuelle Erscheinungsbild der Kantine Zukunft verantwortlich ist, im Gespräch mit Felix und Can aus dem Food Lab.

Wie genau gestaltet sich der Prozess mit den Kantinen, welchen Zeitraum setzt ihr für eine Umstellung an?

Bei der Zusammenarbeit geht es zum einen darum, alle wichtigen Akteur*innen der teilnehmenden Einrichtungen beim „Kunden“ abzuholen. Man muss auch gewisse „Multiplikator*innen des Wandels“ finden, damit der Veränderungsprozess etabliert werden kann. Die Kantine Zukunft drückt den Einrichtungen auch nicht einfach etwas auf, die Einrichtungen sollen ihre eigenen Ideen mit einbringen. In der Regel dauert ein Projekt sechs Monate bei kleineren Einrichtungen. Bei größeren Einrichtungen dauert das allein deswegen schon länger, weil manche Prozesse, wie z.B. der Einkauf, langfristig geplant und ausgeschrieben sein müssen. Daher müssen wir eben auch Personen aus dem Einkauf mitnehmen, damit sich Ausschreibungsunterlagen ändern.

„Wir zeigen nicht wie man kocht  – das können die Köche und Köchinnen ja schon – sondern optimieren Prozesse.“

Ein erster und wichtiger Teil der Arbeit ist die Auswertung von Einkaufsdaten, gerade in der Evaluation der Veränderung. Wenn man sich anguckt was eingekauft wird, weiß man auch genau was verarbeitet wird. Convenience Produkte, frisches Obst & Gemüse, Saisonal, Fleisch. Beispiel: Wenn kein Mehl und Zucker gekauft wird, wird vermutlich auch nicht selbst gebacken. Anhand dieser Analyse des Einkaufs kann am Ende relativ leicht verglichen werden, wie sich die Kantine verändert hat.
Wir merken, dass das Küchenpersonal, mit der Arbeitsweise so wie wir sie zusammen angehen, mehr Spaß an ihrer Arbeit haben. Dadurch, dass sie mehr selbst produzieren (statt nur aufwärmen) zum Beispiel. Durch diesen Wandel entsteht auch eine neue Einstellung mit der sie auch ganz anders gastgeben. Das Küchenpersonal merkt, „Wir sind die GastgeberInnen der Stadt. Hier kommen die Leute essen und zwar jeden Tag.“ Solche Veränderungen auch über den Küchentresen hinaus sichtbar zu machen, ist ein weiterer Teil unserer Arbeit, zum Beispiel mit der Kampagne „Wir kochen für Berlin“.

Welche Herausforderungen gibt es?

Oft haben die Köche und Köchinnen Bedenken Veränderungen umzusetzen – sie befürchten Kritik von den Kantinenbesucher*innen. Aber: Es ist ein großer Vorteil der Gemeinschaftsverpflegung, dass die Leute Stammkunden sind und es eine Beziehung zwischen Ausgabepersonal und Gästen und Gästinnen besteht. Dadurch besteht schon ein Vertrauensverhältnis, wodurch es eine größere Bereitschaft gibt, etwas neues auszuprobieren. Wir überzeugen mit Geschmack.

Geld finden und in bessere Qualität investieren

Die Umstellung muss nicht drastisch sein. Es geht bei unserer Arbeit viel darum, Geld zu finden, was an einem Ende eingespart werden kann, um dann in bessere Qualität investiert zu werden. Das heißt dann oft: weniger teure Fertigprodukte und Convenience-Fleisch. Also wenn wir eine Linsen-Lasagne vorschlagen, dann wird ein Teil des Fleischs durch Linsen ersetzt. Damit verändert man Geschmack und Textur eigentlich nicht, spart aber Kosten, die man dann z.B. in Bio-Qualität für die restlichen Zutaten investiert. „Unsere Grünkernbolognese kommt super bei Kindern an!“ Wir verwenden lieber Gemüse, alte Getreidesorten und besonders Hülsenfrüchte als Fleischersatzprodukte. Uns geht es nicht darum, Fleisch von den Speiseplänen zu streichen, sondern ein gesünderes Verhältnis zu etablieren, für Mensch und Planeten. Die „Berliner Methode“ (siehe Galerie weiter unten) beschreibt unsere Grundsätze, die als Wegweiser des Projekts dienen. Dort steht auch: Fisch, Fleisch und Milchprodukte sind wertvolle Ergänzungen, aber Basis des Kantinenessens sind unverarbeitete, pflanzliche Rohstoffe.

Erstes Bild Anastasia Eggers (Fotocredit: Kristina Kast), zweites Bild Dinah Hoffmann (Fotocredit: Lea Ligat)

„Wir überzeugen mit Geschmack“

Wie kommuniziert ihr Fleischalternativen?

Manchmal hilft es auch, Dinge nicht zu kommunizieren. In manchen Einrichtungen haben wir die Menülinien von 6 auf 3 reduziert. Damit man kann besser planen, es wird also weniger weggeschmissen, die Küche kann sich auf die Zubereitung weniger Gerichte konzentrieren und diese damit noch besser machen und solange Leute etwas finden, das ihnen schmeckt – ob mit viel, wenig oder ohne Fleisch – sind die Gäste zufrieden und die Küche hat ihren Job erfolgreich gemacht.
Manchmal ist es auch die Reihenfolge in der etwas präsentiert wird, also auch da werden Veränderungen angeregt. Es muss nicht kommuniziert werden, dass Menü 1 und 3 mit Fleisch sind und 3 immer explizit die vegetarische Alternative ist. Vielleicht ist einfach das erste vegetarisch – ohne das explizit hervorzuheben, das zweite mit Fleisch und das dritte auch wieder vegetarisch.
Dinah Hoffmann (die übrigens mit einer unserer letzten Interviewpartnerinnen studiert hat) glaubt, Ersatzprodukte sind ein Teil der Transformationsphase, aber werden vielleicht auch wieder verschwinden. Es ginge eher darum eine neue Diät vorzuschlagen und diese Produkte unterstützen dabei. Das wird von der Kantine Zukunft aber so gut wie nie vorgeschlagen, da die Produkte vergleichsweise teuer sind und hochverarbeitet. Einen Linsenbratling selbst herzustellen kostet nur einen Bruchteil davon.

Mit welchem Preis pro Gericht wird denn in der Regel gerechnet?

Das ist immer von der Einrichtung oder dem Träger abhängig. Mal entscheidet die Einrichtung wieviel von einem Gesamtbudget sie für Lebensmittel ausgibt, mal wird es vorgegeben. Betriebskantinen arbeiten mit einem bestimmten Wareneinsatz, Krankenhäuser mit BKT’s, Seniorenheime mit Jahresbudgets usw. Diese sind immer unterschiedlich aber sind oft sehr niedrig.  So ungefähr lässt sich sagen: 

  • Schulen und KiTas in Berlin arbeiten in der Regel mit ± 1,00 € pro Mittagessen
  • Pro Beköstigungstag in Krankenhäusern und Seniorenheimen liegt das Budget irgendwo zwischen 3,60 € und 5,20 € 

1 Euro pro Mittagessen

Wie wird der Umstellungsprozess nach innen und außen kommuniziert?

Bei der Kommunikation geht es darum, den Gästen zu vermitteln warum sich die Gerichte verändern und welche Werte da mitspielen. Wie ein Gericht heißt ist ja auch schon für viele Gäste wichtig. Patrick Wodni (Koch und stellvertretender Projektleiter) nennt die Gerichte gern so, wie es aktuell auch in der Gastronomie oft getan wird. So wird das Sellerieschnitzel mit Püree dann auf der Karte mit „Süßkartoffel, Bittersalat, Sellerie“ ausgezeichnet. Das ist auch eine Transformation, die langsam passiert.

Die „Berliner Methode“

Was ist die Zutat der Zukunft?

Auf jeden Fall Hülsenfrüchte, also gleich eine ganze Zutatengruppe. Sie sind eine günstige Proteinquelle und wird in Zukunft auch in der Landwirtschaft eine immer größere Rolle spielen. Weil sie trockenresistenter sind als manche andere Crops und dem Boden auch was zurück geben (wodurch sie in der Bio-Landwirtschaft eine große Rolle spielen können). In der Planetary Health Diet spielen Hülsenfrüchte auch eine große Rolle. Die Diversität die dahinter steckt, ist vielen Leuten noch gar nicht so bewusst. Da gibt es noch viel zu entdecken.

Wir wünschen der Kantine Zukunft weiterhin viel Erfolg in der tollen und wichtigen Arbeit die sie machen und bedanken uns fürs Interview.

Bei der Arbeit der Kantine Zukunft sind in den letzten Jahren auch zwei – kostenfreie – Publikationen entstanden, die wir an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen wollen, weil es tolle Ressourcen sind mit. Zum einen das Rezeptbuch FÜR VIELE und der Wegweiser für regionale Bio-Produkte AUS DER REGION.