„Wenn man fermentiert, lernt man die Zutaten neu kennen“

Markus Shimizu, Gründer von mimi ferments, ist einer der bekanntesten Fermentista Deutschlands. Wir redeten mit ihm über die Herausforderungen unbekannte Produkte zu verkaufen, und darüber weshalb er sich nicht mehr vegan ernährt.

Nur ein kleiner Teil der vielen Produkte und Experimente aus der Fermentationskammer von mimi ferments

Was haben Fischsauce und Sojasauce gemeinsam? Beide sind fermentierte Umami-Booster der ersten Klasse und sind im Ursprung Jahrtausende alt. Während bei der Sojasauce Koji genutzt wird um die Fermentation zu starten, wird bei Fischsaucen – bzw. beim Garums (so der Oberbegriff) – nur mit Hilfe von Salz ein enzymatischer Prozess gestartet der das Fischeiweiß zersetzt und dadurch hocharomatische Saucen erzeugt. Und was hat unser Interviewpartner Markus Shimizu mit René Redzepi, dem Leiter des derzeit besten Restaurants der Welt, gemeinsam? Beide glauben an die unglaubliche Potenz und Vielfalt von Garums, die sich aus allen möglichen Quellen herstellen lassen. Sinnvoll eingesetzt ist die Technik sehr nachhaltig, geht in Richtung Zero Waste und damit genau dahin, was immer mehr Konsumierende verlangen.

„Anfang der 90er war vegan zu sein ziemlich grausig.“

Tag 1 der Sojasaucenherstellung: „Impfung“ mit Koji

Markus Shimizu hat 2004 mit der Fermentation begonnen, um sich neue Proteinquellen zu erschließen, da er damals noch vegan gelebt hat. Insgesamt ernährte er sich fast 25 Jahre lang vegan, isst jetzt aber wieder alles. Ein Überbleibsel aus dieser Zeit ist seine Liebe für frischen Tempeh. „Der schmeckt frisch selbstgemacht wahnsinnig gut und auch ganz anders als wenn man’s im Bio-Markt kauft.“ In der Frische sieht er jedoch den Knackpunkt dafür, warum das Produkt hierzulande noch nicht seinen großen Durchbruch erlebt hat. „Supermärkte wollen idealerweise Produkte im Regal stehen haben, die lange haltbar sind und am besten auch nicht gekühlt werden müssen“. Also genau das Gegenteil davon, was guten Tempeh auszeichnen würde.
Trotzdem sieht Shimizu Tempeh als schöne Spielwiese, weil man nicht nur Leguminosen reinmachen kann, sondern auch Nüsse. Somit ist eine breite Geschmacksvariation möglich. Kann es Zufall sein, dass Sandor Katz, den Shimizu als sein Fermentista-Vorbild bezeichnet, eine Ode an Tempeh in seinem Buch „Die Kunst der Fermentation“ stehen hat?

Bei mimi ferments versucht er „traditionell zu arbeiten wo es geht und Sinn ergibt, gerade was die Techniken angeht“. Ein Auge schaut dabei immer in sein Geburtsland Japan, wo viele der Techniken herkommen und woran er sich auch geschmacklich orientiert. Denn auch wenn er in Berlin lebt, denkt Shimizu bei der Kreation neuer Fermente weniger an den deutschen Gaumen als an den japanischen. „Ich will, dass es auch Japanern gefallen würde.“

„Süßkartoffel-Miso schmeckt wie Capri-Sonne“

Das heißt jedoch nicht, dass nicht sehr stark regional gearbeitet wird: Die meisten seiner Grundprodukte wie Gerste, Sojabohnen oder Rote Beete kommen aus kontrolliert biologischem Anbau in Deutschland. Das kommuniziert das Team auch im Newsletter, in dem neue Produkte vorgestellt und Events angekündigt werden. Aber das ist einer der schwersten Aspekte des Jobs als Fermentista. Amazake, Sagohachi oder Shiro Tamari sagt den meisten erstmal nichts. Deswegen ist Shimizu auch der persönliche, direkte Kontakt mit Kunden im Laden in Berlin Moabit wichtig. Selbst wenn das Produkt erklärt ist, treffen aber viele Menschen auf neue Geschmäcker wenn sie die Produkte von mimi ferments probieren, auch wenn häufig Zutaten drin sind die man kennt. Für Shimizu ist das ein Teil des Reizes seiner Arbeit, denn er sagt: „Wenn man fermentiert, lernt man die Zutaten neu kennen“. So schmeckt zum Beispiel Süßkartoffel-Miso – für ihn – nach Capri-Sonne.

3x Schweinebauch: 1x mit Tempeh-Kulturen und 2x mit Koji „gut-geschimmelt“

Mit Koji von innen und außen schön

Im Food Lab haben wir schon einige Male mit Produkten von mimi ferments gearbeitet. Bekanntere Kunden von mimi ferments sind sicherlich die beiden Berliner weltklasse-Restaurants Nobelhart & Schmutzig sowie Tim Raue. Allerdings ist das mehr als Kollaboration zu verstehen, denn die Köche und Shmizu inspirieren sich gegenseitig.

Rund 20% der Ansätze sind Experimente. Das geht sogar so weit, dass er schon Seifen gemacht hat, die auch gut angekommen sind. Nach dem Motto „mit Koji von innen und außen schön“, sieht er großes Potential für Koji-Kosmetik. Eigentlich ist nur die Zeit der begrenzende Faktor für Erweiterungen der Produktpalette. Es gibt noch viel zu probieren, zum Beispiel nochmal eine Sojasauce, die auf hoher See reift.

Persönliche Empfehlung vom Autor: Das Shiro Miso und das Amazake, zu bestellen im Online-Shop von mimi ferments.