Die Upcycling Falafel

Wenn man eine Karotte – mit Karottengrün – entsaftet um daraus einen Smoothie zu machen, hat man sie dann wirklich ganz genutzt? Dan Barber sagt nein, wir mittlerweile auch. Der Gemüsetrester könnte ein Schlüssel zur Zukunft von fleischigen Texturen sein.

Funky

Dieses Food Lab Projekt beginnt bei der Recherche für ein Burger-Projekt. Dabei sind wir über WastED gestoßen. WastED war ein Event bzw. Pop-up des amerikanischen Sternekochs Dan Barber, um zu zeigen wie man nicht nur „Leaf to Root“ isst, sondern sogar mehr als das. Das Paradebeispiel: Die Reste der Smoothie-Herstellung. Was passiert eigentlich damit? Laut Statista konsumierten im Jahre 2021 sechs Millionen Menschen in Deutschland mindestens ein Mal die Woche einen Smoothie. Tendenz steigend. Und gerade bei der Herstellung von Gemüse-Smoothies, fällt unheimlich viel ab, was nicht im Becher landet. Bis jetzt landet der sogenannte Gemüse-Trester im Mülleimer, das kann in Zukunft aber anders aussehen.

Man sollte an der Stelle noch erwähnen, dass die Nutzung von Trester keine Revolution ist. Grappa wird aus dem Trauben-Trester, der bei der Weinherstellung entsteht, gewonnen.

Was haben Smoothies mit Texturgebern zu tun?

Bleiben wir bei unseren Gemüseresten. Die Besitzerin eines Smoothie-Shops in Frankfurt hat uns freundlicherweise ihre Reste gegeben, so konnten wir loslegen und in die Zukunftsforschung starten. Unsere Masse bestand größtenteils aus Karottenresten, ein paar Stücke Rote Beete, Apfel und Sellerie waren aber auch zu erkennen. Frage an der Stelle: Wenn Früchte Fruchtfleisch haben, hat Gemüse dann Gemüsefleisch? Denn a prospos Fleisch: Dan Barber nutzt die faserigen Reste, um vegetarischen Burgern eine fleischähnliche Textur zu geben. Die noch feuchte Masse fühlt sich zwischen unseren Fingern aber eher nach Krautsalat an. Daher wird der Gemüsetrester gleichmäßig dünn auf Backbleche aufgetragen, um im Ofen zu trocknen und zu rösten. Und siehe da, der Unterschied ist immens: Etwa zwei Drittel des Gewichts verpufft und das fühlt man auch in der Hand. Aus feuchtem Krautsalat sind trockene Fasern geworden.

Was machen wir jetzt damit? Wir stehen auf Fingerfood. Falafel sind allseits beliebt und ohne große Konkurrenz in ihrer Gewichtsklasse. Aber funktionieren sie auch mit Füllung? In der Levante-Küche werden sie oft in Hummus und andere Dips und Saucen getunkt, wir wollen den Kick direkt in die Mitte packen.

Inspiration Levante-Küche

Wir mischen also den gekühlten, getrockneten Trester zu gleichen Teilen mit weichen Kichererbsen. Dazu kommen karamellisierte Zwiebeln, Hefeflocken, Worcestershire Sauce – an Umami soll es ja nicht fehlen, Knoblauch, Kreuzkümmel, Cayenne-Pfeffer, Salz und zur Bindung noch Kichererbsenwasser aka Aquafaba. Das wird gern als vegane Alternative zu Eischnee genutzt, lässt sich auch gut mit dem Handrührgerät aufschlagen. Die resultierende Masse fühlt sich hackfleischig an. Erstmal ab in den Kühlschrank während wir uns um die Füllung kümmern. Die soll an die Levante-Küche erinnern, also mischen wir Feta mit Rahm-Joghurt, Zitronensaft, Tahini und etwas Pfeffer. Die Creme wird mit einem kleinen Löffel portioniert und eingefroren, so lässt sie sich später besser in die Bälle füllen. Bevor wir diese jedoch machen, haben wir die Masse ungefüllt getestet. Leider zerfällt sie zu leicht beim anbraten, also müssen wir mit einem Ei nachhelfen um der Masse noch mehr Bindung zu geben.

Gemüsetrester-Falafel Masse in Vakuum Beutel
Unsere Gemüsetrester-Falafel Masse


Nun werden Tischtennisball-Große Bälle geformt, eingedrückt, mit der gefrorenen Creme gefüllt und verschlossen. Vor dem finalen Anbraten werden die Bälle nochmal kurz tiefgefroren. Trotzdem ist es wichtig, dass sie in mind. 170 °C heißem Fett (wir nutzen Rapsöl) gebraten werden. Zum Einen bekommen sie dadurch gleich eine schöne Kruste, zum anderen werden sie weniger fettig. Nach knapp 2 Minuten sind sie schon fertig und der Geschmackstest lässt nicht lange auf sich warten. Die Füllung ist wieder schön cremig, aber noch leicht bzw. erfrischend genug. Wir konnten zwar die Trockenheitsfalle vermeiden, in die viele Falafel fallen, aber irgendwie schmeckt das Ergebnis einen Tick zu schwer. Zumindest wenn man sie ohne Beilagen verzehrt.

Mit einem Haps sind die im …

Ein zweiter Versuch muss also her für unsere Funky Falafel. Wir ersetzen die Kichererbsen mit Weißen Bohnen. Dazu kommen wieder karamellisierte Zwiebeln, Hefeflocken und Knoblauch. Für noch mehr Umami und Würze sorgen Miso und Harissa. Gekochter Grünkern gibt eine zusätzliche Textur. Hier ist es wichtig gerade so viel zu nehmen, dass man sie merkt, jedoch nicht so viel, dass sie zu dominant werden und die Bindung kaputt machen.
Beim ersten Versuch hat uns etwas erfrischendes gefehlt, dieses Element soll dieses Mal eine Kräuterfüllung mitbringen. Kerbel, Petersilie, Koriander, Knoblauch, Parmesan, Salz, Pfeffer und etwas Butter kommen dafür in den Mixer. Ein intensiver Geruch füllt die Luft und wir füllen die Kräuterpaste optimistisch in die Weiße Bohnen-Gemüsetrester Masse.

Die gekühlten Bälle braten wir wieder in reichlich Öl an und was sollen wir sagen…wir sind in der Zukunft! Außen leicht kross, innen leicht fleischig, erfrischend kräuterig im Kontrast zu den Umami-Noten. Der getrocknete Gemüsetrester gibt zwar – wie erwartet – keinen Geschmack, aber wir wollten ja Textur. Die haben wir bekommen: Der Trester gibt unseren Bällchen einen leichten Biss und der Masse als ganzes Halt.
Die Masse mit Kichererbsen als auch die mit weißen Bohnen ähnelt sich optisch sehr: Sie ist orange wie gebratene Karotten. Je nachdem welchen Gemüsetrester man hat, ändert sich da also die Farbe. Ein Rote Beete-Trester liegt nahe für Produkte in der Kategorie der Fleischalternativen.

Upcycling geht nicht nur mit Klamotten

Wenn also ein kleiner Smoothie-Shop schon fünf Kilogramm Gemüsetrester pro Tag abwirft, sehen wir es als durchaus realistisch an, dass insgesamt genug abfällt. Man muss nur an die industrielle Produktion von Gemüsesäften denken und schon tut sich eine große potentielle Quelle auf. Fairerweise muss man erwähnen, dass die Reste auch nicht immer weggeschmissen werden, sondern teilweise als Tierfutter Verwendung finden. In einer Zukunft mit weniger bis keinem Konsum von tierischen Produkten ergibt es dann sogar noch mehr Sinn diese Reste, statt als Tierfutter als Texturgeber für Burgerpatties und Falafel-ähnliche Produkte zu verwenden. Das ist Upcycling das nicht nur cool ist, sondern auch lecker.

Was denkst du dazu liebe*r Leser*in? Schreib uns gern eine Mail an die unten stehende Adresse und lass uns wissen wie du die Zukunft der Lebensmittelbranche siehst.