Vom Metzger zur Pilotanlage.
Ist etwas, das so cool wie ein Bad Bunny-Song klingt, plant-based aber nicht hochverarbeitet, zu gut, um wahr zu sein oder kann das funktionieren: Verrano. Drei Jungs aus Frankfurt arbeiten dran. Damit es keinen Verrano (spanisch: Sommer) sin Verrano mehr gibt.

Can aus dem Food Lab hat mit Manuel Siskowski – einem der drei Gründer – geredet und unter anderem herausgefunden warum Verrano vegan „durch die Hintertür“ ist.
Zur Erklärung: Verrano hat ein Verfahren entwickelt, in dem sie Knollengemüse – aktuell Sellerie, Rote Beete und Steckrübe – unter anderem räuchern und trocknen, wodurch das Gemüse eine neue Konsistenz bekommt. Aktuell wird es dünn aufgeschnitten verkauft.
Can: Euer Produkt wird nicht als veganes Ersatzprodukt bezeichnet; warum diese Entscheidung?
Manuel: Am Anfang haben wir mit dem Working Title „Gemüseschinken“ gearbeitet. Menschen ordnen gern in bekannte Schubladen wie Schinken ein, das erleichtert Verständnis und spart Erklärarbeit. Die Kategorie Fleischersatz hat das Gleichheits-Versprechen geweckt, das oft nicht gehalten wurde, und ist im Median der Gesellschaft verbrannt. Viele sind skeptisch, weil sie einiges probiert haben und geschmacklich nicht überzeugt wurden. Wir haben uns entschieden, diese Schublade zu vermeiden, erklären mehr und erreichen dadurch Kundschaft, die sonst nicht probieren würde. Das fehlende Vegan‑Label vorn schafft Inklusivität. Wir stellen die Moral hinten an, weil Kaufentscheidungen meist geschmacksgetrieben sind. Die größte Hürde ist die Erstverkostung.
Tastemaker-Konzept statt Influencer
Ihr seid ja quasi ein komplett neues Lebensmittel, wie bringt ihr die Leute dazu, zu probieren?
Wir gehen zuerst in die Gastronomie mit einem Tastemaker‑Konzept. Eine kuratierte Karte nimmt Gästen die Entscheidung ab. Nach dem Probieren bauen wir die Brücke zum Privatkauf und arbeiten parallel an flächendeckender Verfügbarkeit. Viele Kunden schreiben eine Mail nach der Verkostung um zu erfahren wo sie Verrano kaufen können. Sie bekommen dann eine Mail bei Handelslistung. Jetzt schon zu viel Social Media zu machen, schadet uns daher fast, weil man Verrano noch nicht überall bekommt.

Ich habe euch aber schon bei knuspr entdeckt. Habt ihr dort schon viele Wiederholungskäufer?
Über Großhändler ist Tracking schwierig, bei Direktbelieferung sehen wir deutliche Wiederholungskäufe. Wenn die Gastronomie, der Anwender in der Küche das Produkt verstanden hat und es als Problemlöser für gemischte Gruppen nutzt und innovativ orientierte Kunden damit Neues bauen, dann wird das Produkt verstanden und es folgen zweite, dritte, vierte und fünfte Käufe.
Wo liegen Hürden bei Großhandelslistung und LEH?
Großhändler verlangen nationale Listung und Mindestvolumen. Dafür braucht es zuvor ausreichend Kundschaft, klassisches Henne‑Ei-Problem. Und für den LEH sind unsere Produktionsmengen oft noch zu klein, was frühe Listungen erschwert.
Geschmack vor Moral

Aber ihr seid doch vor kurzem aus der Metzgerei ausgezogen in eure eigene Produktionsstätte.
Ja, wir haben bei der Biometzgerei Spahn produziert und sind nun in Gießen, wo wir rund 50 Tonnen Jahreskapazität haben. Für den Einzelhandel reicht das aber noch nicht. Ab 2026 peilen wir Lösungen jenseits von 100 Tonnen Jahreskapazität an. Der Sprung vom Küchenlabor zur Industrie verlangt perfekte Parameter, stabile Automatisierung und kontrollierte Mikrobiologie. Haltbarkeit und Lebensmittelsicherheit wurden durch professionellere Prozesse deutlich verbessert. Viele Schritte mussten standardisiert und automatisiert werden, um mit steigenden Kapazitäten wirtschaftlich zu arbeiten.
Wie sieht die 5-Jahres-Vision aus?
Wir adaptieren das Verfahren für weitere Produkte, bleiben aber fokussiert darauf, dass viele Menschen das bestehende Produkt probieren. Ziel ist eine mittlere dreistellige Tonnen‑Kapazität pro Jahr und deutschlandweite, alltägliche Verfügbarkeit im realen Leben.

Pommes schrecken auch keinen ab
Und wie genau sieht eure Zielgruppe aus?
Zielkunde von Verrano ist der durchschnittliche Genießer mit Qualitätsfokus, oft Fleischliebhaber oder Flexitarier; die vegane Community kommt sowieso. Hedonisten, die umamilastige Produkte und guten Schinken schätzen, geben das stärkste Feedback.
Wir wollen Haltungsänderungen beim Wort vegan vermeiden. Pommes schrecken auch keinen ab, die sind schon immer vegan und lecker. Auch unser Produkt soll über Geschmack funktionieren, nicht über Etiketten. Moralisierende Claims zu Fläche, Wasser oder CO₂ – sie durchaus anwendbar wären bei unserem Produkt – lassen wir weg.
Stichwort Fläche: Welche Rohstoffstrategie verfolgt ihr bzw. wie arbeitet ihr mit der Landwirtschaft zusammen?
Wir arbeiten mit einem Bioland‑Landwirt und lassen zusätzlich bei weiteren Bioland‑Betrieben sourcen, um Versorgung und Qualität zu sichern. Bevorzugt werden Übergrößen bis zur 5‑kg‑Steckrübe, weil große Kaliber die Verarbeitung effizienter machen. Für 2026 planen wir Vertragsanbau in definierte Mengen und Kaliber, um ganzjährig Bedarf und Prozessqualität abzusichern.
Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung von Verrano und bedanken uns fürs Interview.