Fasern auf Vormarsch

Aktuell sind Kartonlösungen beliebter denn je – nicht zuletzt dank PPWR & Co. Die Fiberization schreitet voran, mit erfolgreichen Unternehmen wie der MM Group an der Spitze. Zu Innovation und Ambition in der Welt der Kartone stand uns Andreas Macku, Innovation Director für Food & Specialities, Rede und Antwort.

MILK: Spürt ihr die wachsende Nachfrage? Und wie stellen ihr sicher, dass eure Produkte „Regulation-ready“ sind?

Andreas Macku: Ja, absolut – die Nachfrage nach papierbasierten Verpackungen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Gerade im Konsumgüter-Bereich sehen wir, dass Marken verstärkt nach nachhaltigen Lösungen suchen, und Faltschachteln aus Karton sind dabei besonders gefragt. Wir haben Experten im Unternehmen, die sehr eng an den Entwicklungen auf EU-Ebene und darüber hinaus dran sind. Sie halten unsere Gruppe stets auf dem neuesten Stand, wenn es um neue Regularien oder geplante Gesetzesänderungen geht. Unsere Entwicklerteams wissen dadurch genau, worauf es bei der Gestaltung ankommt, und können unsere Kunden optimal unterstützen, damit das Endprodukt wirklich „Regulation-Ready“ ist. Zusätzlich sind wir mit relevanten Verbänden und Initiativen im ständigen Austausch. Das hilft uns nicht nur, Anforderungen frühzeitig zu erkennen, sondern auch, aktiv mitzugestalten – was gerade in einer so dynamischen Phase wie der aktuellen ein echter Vorteil ist.

MILK: Häufig sehen wir den Bedarf, von Kunststofflösungen auf faserbasierte Lösungen umzusteigen. Wie unterstützt ihr Kunden in diesem Prozess?

Andreas Macku: Für uns steht immer der passende Verpackungsansatz für den jeweiligen Anwendungsfall im Mittelpunkt. Nicht jedes Produkt lässt sich sinnvoll in eine Papierlösung überführen – deshalb ist ein realistisches Erwartungsmanagement und eine transparente Kommunikation mit dem Kunden essenziell. Gleichzeitig wollen wir den Blick nicht einschränken und bleiben offen für innovative Ansätze in alle Richtungen. Wo es Sinn macht, begleiten unsere Kunden ganzheitlich durch den Umstellungsprozess – von der ersten Anforderungsanalyse über Konzeptentwicklung, Design, Materialauswahl und Prototyping bis hin zu Tests, Validierung, Produktion und Implementierung. Dabei arbeiten wir interdisziplinär und eng mit unseren Kunden zusammen, um die bestmögliche Lösung zu finden – sowohl funktional als auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit.

MILK: Barrierepapiere sind aktuell besonders beliebt für den Einsatz in der F&B Branche – wie schätzt ihr diese Entwicklung ein? Welche Vor- und Nachteile haben Barrierepapiere im Vergleich zu Kunststofflösungen?

Andreas Macku: Barrierepapiere sind aktuell eine sehr spannende Option für viele Anwendungen in der F&B-Branche. Ihr großes Potenzial liegt vor allem in der Möglichkeit, Kunststoffanteile zu reduzieren und auf nachwachsende Rohstoffe zu setzen. Besonders dann, wenn die Barrierepapiere recyclingfähig sind – idealerweise im Papierabfallstrom – können sie ihre Nachhaltigkeitsvorteile gegenüber klassischen Kunststoffverpackungen ausspielen.

Trotzdem muss man realistisch bleiben: Barrierepapiere können Kunststoffe nicht in allen Bereichen gleichwertig ersetzen. Gerade bei sehr hohen Anforderungen an die Barriereeigenschaften, etwa bei Kaffee oder fett- und sauerstoffempfindlichen Produkten, stoßen sie aktuell noch an technische Grenzen. Hier darf der Produktschutz – und damit auch das Mindesthaltbarkeitsdatum – nicht unter der Verpackungslösung leiden, denn Food Waste ist aus Nachhaltigkeitssicht oft gravierender als die Verpackung selbst.

MILK: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in der Beschaffung eurer Rohstoffe?

Andreas Macku: Nachhaltigkeit ist bei uns kein Zusatzthema, sondern ein zentraler Bestandteil unserer Beschaffungsstrategie. Wir setzen konsequent auf zertifizierte, entwaldungsfreie Holz- und Faserquellen – zum Beispiel nach FSC®- oder PEFC-Standards. Das gibt uns und unseren Kunden die Sicherheit, dass die Materialien aus verantwortungsvoller Herkunft stammen. Gleichzeitig legen wir großen Wert auf klare Anforderungen an unsere Lieferanten – nicht nur in Bezug auf Umweltstandards, sondern auch auf Themen wie Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Compliance. Diese Standards sind fest verankert und werden regelmäßig überprüft.

MILK: Kartonverpackungen werden bereits als sehr nachhaltig wahrgenommen. Ihr strebt aber eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie an, die über das Produkt hinaus geht. Welche nachhaltigen Praktiken habt ihr in den letzten Jahren in eurer Produktion implementiert? 

Andreas Macku: Das stimmt – Papierverpackungen haben von Natur aus ein gutes Nachhaltigkeitsimage. Uns war aber immer klar, dass echte Nachhaltigkeit weitergeht als nur bis zum Produkt. Deshalb arbeiten wir seit Jahren daran, auch unsere Produktion konsequent nachhaltiger aufzustellen. Ein zentraler Fokus liegt dabei auf der Dekarbonisierung.

Wir haben uns ambitionierte Klimaziele im Rahmen der Science Based Targets Initiative gesetzt und arbeiten unter anderem mit einem internen CO₂-Preis, um Investitionen gezielt in emissionsärmere Technologien zu lenken. Parallel dazu steigern wir kontinuierlich den Anteil erneuerbarer Energien an unseren Standorten.

Auch beim Wasser setzen wir auf Kreislaufwirtschaft: In vielen unserer Werke wird Wasser bereits mehrfach genutzt, moderne Abwasseranlagen sorgen für eine effiziente und umweltschonende Aufbereitung. Erste Standorte wurden bereits nach anerkannten Wassermanagement-Standards zertifiziert.

Darüber hinaus treiben wir die Abfallvermeidung systematisch voran – durch Prozessoptimierung, Materialeffizienz und intelligente Rückführung von Produktionsresten. Unser Anspruch ist klar: Nachhaltigkeit muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette spürbar und messbar sein – auch hinter den Kulissen.

MILK: Ihr entwickelt auch selbst innovative Produkte – Wie läuft euer Entwicklungsprozess ab?

Andreas Macku: Bei uns steht nicht der einzelne geniale Entwickler im Mittelpunkt, sondern ein stark vernetztes Team. In unserem MM Innovation Network bündeln wir die Kompetenzen aus verschiedensten Bereichen der MM Gruppe, um gemeinsam bestmögliche Lösungen zu entwickeln. Dazu zählen u.a. unsere sechs Karton- und Papierwerke, 54 Verpackungsstandorte weltweit sowie Expertenteams aus den Bereichen Sustainability & Product Safety, Sales & Marketing, Market Intelligence, Patent Management, Technology und natürlich unsere Pack Development Center.

Unser Entwicklungsprozess folgt zwei Ansätzen:

Zum einen PULL-Innovationen, bei denen wir kundenspezifische Briefings kreativ und zielgerichtet umsetzen – oft in enger Co-Creation mit unseren Kunden. Zum anderen PUSH-Innovationen, die proaktiv innerhalb unseres Netzwerks entstehen, auf Markttrends oder Nachhaltigkeitsthemen reagieren und anschließend zur Marktreife gebracht werden.


MILK: Was sind die spannendsten Neuentwicklungen in eurem Portofolio, die besonders für Lebensmittelhersteller interessant sind?

Andreas Macku: Hier kommt mein Innovations-Verpackungs-Lebensmotto ins Spiel: „Ein Verpackungsprojekt ist für mich dann fertig, wenn ich das Produkt im Supermarkt kaufen kann.“
Wir haben viele neue Entwicklungen, die einen erfolgreichen Stapellauf absolviert haben und sich schon im Markt befinden.

GreenPeel ist ein innovatives Tray-Design, das im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoff-Trays bis zu 90 % weniger Kunststoff verbraucht. Das erreichen wir durch ein besonders leichtes Design und den gezielten Einsatz minimaler Materialmengen. Nachhaltigkeit sollte nicht kompliziert sein – deshalb haben wir GreenPeel so entwickelt, dass es sich nahtlos in bestehende Prozesse integrieren lässt.

Der durchgehende flache Rand und der flache Boden ermöglichen eine problemlose Nutzung in den meisten branchenüblichen Verpackungs-, Produktions- und Versiegelungsanlagen. Eine weitere Neuentwicklung ist das MM CartonCavitySystem. CartonCavity ist eine innovative Kartonlösung, die herkömmliche Kunststoffschalen und Blisterverpackungen ersetzt.

Das System besteht aus einem Passepartout-Rahmen und einzelnen Kavitäten, die das Produkt sicher fixieren und gleichzeitig hochwertig präsentieren. CartonCavity ist ein echter Gamechanger. Es verbindet ökologische Verantwortung mit funktionalem Design und bietet Unternehmen eine zukunftsfähige Alternative zu Kunststoffverpackungen.

Weitere Neuentwicklungen gibt es von uns im Fruit&Vegetable-, Beverage- und Confectionery-Bereich. Ganz besonders stolz bin ich auf unsere neue MM Moulded Pulp Linie. Die Moulded Pulp-Lösung nutzt die Thermoformed-Wet-Moulding-Technologie – ein Durchbruch in der Verarbeitung von Fasermaterialien. Damit können wir Verpackungen für anspruchsvolle Branchen wie Lebensmittel, Pharma, Körperpflege und mehr realisieren.


MILK: Gibt es spezielle Initiativen der MM Group, um die Kreislaufwirtschaft schneller voranzutreiben?

Andreas Macku: Ja, definitiv. Wir engagieren uns aktiv im Senat der Kreislaufwirtschaft – einer unternehmensübergreifenden Allianz in Österreich, die das Ziel verfolgt, die Kreislaufwirtschaft branchenübergreifend und ganzheitlich voranzubringen. Als führender Hersteller faserbasierter Verpackungen bringen wir dort unsere Perspektive und unser Know-how gezielt ein – im Austausch mit Handel, Abfüllern, Entsorgern und politischen Entscheidungsträgern. Der Dialog auf Augenhöhe ist uns dabei besonders wichtig, denn eine funktionierende Kreislaufwirtschaft braucht enge Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Solche Initiativen sind für uns ein wichtiger Hebel, um nicht nur intern besser zu werden, sondern auch strukturelle Veränderungen auf Systemebene mitzugestalten.

Andreas Macku ist Innovation Director für Food & Specialities bei der MM Group mit Hauptsitz in Wien. Die MM Group ist ein führender Anbieter von nachhaltigen Papier- und Kartonverpackungen für Konsumgüter – und fokussiert sich auf Innovation, um einen positiven Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft zu haben.

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