Brottrunk Remixed

Kvass, Rejuvelac, Borș oder eben Brottrunk. Viele Kulturen kennen Getränke auf Basis von gewässertem Brot oder Getreide. Wirklich im Mainstream gelangt, sind keine dieser Getränke. Schade, wie wir finden, denn es ist nicht nur eine gute Möglichkeit zur Resteverwertung, sondern auch eine sehr gute Möglichkeit, zur Darmgesundheit beizutragen.

Eine Kombination zweier deutscher Hauptnahrungsmittel?

Mindestens ein Unternehmen hat mit gut vermarkteten, probiotischen Getränken ein Vermögen umgesetzt. Wir denken es ist etwas Platz im Markt für Vielfalt, gerade beim stets währenden Drang zur gesünderen und alkoholfreieren Ernährung.

Kanne Brottrunk kannten schon unsere Großeltern. Wer weiß, vielleicht kannten die sogar Wilhelm Kanne, den Bäckermeister der die Firma aus Nordrhein-Westfalen gründete und in den 80er Jahren damit begann, Brottrunk zu verkaufen. Über 40 Jahre später haben wir einen Versuch gewagt, das Getränk zu remixen mit dem Ziel die gesunden Aspekte zu behalten und den Geschmack zu erfrischen. Nach was Brottrunk schmeckt ist schwer zu beschreiben. Wer fermentierte Getränke wie Kombucha kennt oder schonmal in einer Backstube stand, in der Sauerteig verarbeitet wird, mag sich an die säuerlich hefigen Aromen erinnern. Aber eigentlich gibt es keine gängigen Produkte die so schmecken wie Brottrunk. Umso schwerer war der Remix.
Bei der Produktentwicklung helfen Assoziationen und gelernte Geschmackskombinationen. Apfel und Karamell, Kartoffel und Muskat…etc. Aber Brottrunk und…nunja, und was? Also haben wir das Lexikon der fermentierten Getränke aufgeschlagen und einfach mal gemacht.

Geschichte eines Balance-Akts

Tepache, Ginger-Bug, Sima, milchsaurer Ginger Ale…die Fermentation Station lief auf Hochtouren in der frühen Phase unseres Projekts. Leider zunächst wenig erfolgreich. Die lebenden Milchsäurebakterien (Brottrunk ist nicht pasteurisiert und damit noch voller lebender – guter –Bakterien) des Getränks sind schwer zu bändigen. Ein Soda mit Aloe Vera wurde getestet, genauso wie einige Vitamin-Shots voller Frucht und Gemüsesäfte. Ganze elf Getränke wurden in der ersten Runde probiert. Entweder der Brottrunk wurde zu stark verwässert wodurch der Gesundheitsaspekt verloren geht oder die Geschmäcker der ergänzenden Elemente waren nicht erkennbar. Wie so oft im Leben, ging es also in diesem Projekt um Balance. Am Ende waren zwei Ergebnisse sehr interessant, um sie als Basis für weitere Experimente zu nutzen:

Erstens Brot-Bier. Die Inspiration kam vom Ginger Beer (mit Hefe statt mit Ginger Bug) – häufiger im Kühlschrank des Autors zu finden als klassisches, hopfenbasiertes Bier. Wir haben Granatapfel als Zucker und natürliche Hefequelle sowie Trockenhefe verwendet und mit Zucker, Brottrunk, Wasser und etwas Trockenhefe vermischt und in einer zweistufigen Fermentation ein Getränk mit natürlicher Kohlensäure gemacht. Definitiv zu viel Kohlensäure, aber der Geschmack war erfrischend und der Brottrunk-Anteil groß genug um einen weiteren Versuch zu machen.

Wir S(c)hrub(b)en den Geschmack aus den Beeren

Und dann war da noch der Shrub. Tippfehler? Nö. Aber hört sich ähnlich an wie Sirup, oder? Das ist kein Zufall, denn der Wortstamm kommt aus dem Arabischen und bedeutet genau das. Es ist schwer zuzuordnen wann oder wie genau zum ersten Mal Shrub gemacht wurde, aber die Idee dahinter ist simpel: Früchte, meist Beeren (wegen ihren weichen Zellwänden), werden in Zucker und Essig eingelegt um sie zu konservieren. Nur mit Zucker und unter bestimmten Voraussetzungen an die Umgebung würde man auch schon einen Fruchtessig herstellen können, die meisten modernen Rezepte verwenden jedoch Essig von Anfang an als Zusatz um schnell und sicher einen süß-sauren…Sirup zu gewinnen.
In unserem konkreten Fall haben wir den Essig mit Brottrunk ersetzt, denn: Brottrunk hat einen niedrigeren pH Wert als beispielsweise Apfelessig, sollte sich also auch gut eignen als „Geschmackswirt“ für jegliche Früchte, die man mit Hilfe von Zucker mazeriert. Wir haben’s mit Heidel- und Erdbeeren versucht: Während die Erdbeer-Versuche zu süß waren, waren unsere Heidelbeer-Shrubs volle Erfolge (in den Bildern unten sieht man den Prozess sowie am Ende das Glas nach 5 Tagen Mazerierung)!

Von nun an wurde verfeinert: Mit wie wenig Zucker kommt der Shrub aus? Kann man ihn noch mit Kräutern wie Basilikum verfeinern oder mit Hibiskus eine andere Saure Note geben? Mit wie viel Fruchtzucker kann man den raffinierten Zucker im Beer ersetzen? Nach zwei weiteren Runden haben wir vorerst das erreicht, was wir wollten: Der Brottrunk hat eine neue Dimension bekommen. Die gesunden Aspekte werden mit Geschmäckern kombiniert, die nicht nur dazu passen sondern auch den Zeitgeist treffen.

Voll im Trend dank Fermentationshype

Rausgekommen ist ein reduzierter Shrub der intensiv nach Heidelbeere riecht und schmeckt und als Shot wunderbar funktioniert, ob morgens anstatt Ingwer-Shot oder als kleiner Helfer aus dem Nachmittags-Tief. Das Brotbier mit niedrigem Alkoholgehalt (kommt immer drauf an, wann man die Gärung stoppt, aber unterm Radler sind wir geblieben) kommt genau richtig in der aktuellen Hitzewelle und wird den gesundheitsbewussten Kiosk-Großstädter begeistern.

Dank Fermentationshype ist Brottrunk selbst voll im Trend. Früchte gehen nie aus der Mode und sollen die Tür öffnen für ein breiteres Publikum. Ein Publikum, das Brottrunk unserer Meinung nach auf jeden Fall verdient.

Aus Brottrunk machten wir Brotbier.